Als Veganer:in kannst du eigentlich nur alles falsch machen

Welche:r Veganer:in kennt das nicht: Du sitzt mit ein paar omnivoren Freunden in einem Restaurant, alle bestellen sich Gerichte, die Tiere enthalten, nur du nicht, stattdessen erkundigst du dich beim Kellner nach den pflanzenbasierten Optionen. 

Und dann fangen deine Freunde an, dir zu erklären, dass sie inzwischen ja auch nur noch wenig Fleisch essen, oder nur bio, oder nur von glücklichen Tieren, oder nur sonntags, oder dass es früher den Sonntagsbraten gab und dass das gut war. Und dass sie ja auch manchmal Hafermilch benutzen, aber nicht im Kaffee, sondern nur im Müsli, oder nicht im Pudding, aber für die Sahnesoße. Und du denkst so: Ich hab nicht danach gefragt. Und du sagst: „Aha.“ 

Dann, als du gefragt wirst, wie lange du schon vegan lebst, antwortest du zum Beispiel „5 Jahre“. Und als jemand sagt, er könne das ja niemals, also vegan leben, berichtest du von deinen Erfahrungen. Und plötzlich sagt jemensch, dass er/sie sich in deiner Gegenwart schlecht fühlt, weil du mit dem Finger auf ihn/sie zeigst. Auf einmal steht ein Vorwurf im Raum! Die Luft wird dick. Die gute Laune ist vorbei. 

Du kannst eigentlich nur alles falsch machen. Ihr wolltet gemeinsam essen, aber nun redet ihr über die Ethik und Moral des Essens.

Du kennst alle Ausreden der Omnis und kannst sie alle entkräften. Du kennst die wissenschaftlichen Fakten und die ethischen Überlegungen. Du kannst die veganen Hochleistungssportler und Promis aufzählen. Du kannst von den Lebenshöfen erzählen.

Dein großes Problem ist aber, dass moralische Überlegenheit sehr schnell als moralische Überheblichkeit empfunden wird. Denn ein stichhaltiges Argument kann wie ein Giftpfeil wirken. Dann steht vielleicht sogar die Freundschaft auf dem Prüfstand. 

Drum kann es Sinn machen, die Worte in Watte zu packen, auch wenn das der Wahrheit nicht gerecht wird. Erinnere dich, dass du nicht als Veganer:in auf die Welt gekommen bist. Und dass du vielleicht schonmal ähnliche Situationen erlebt hast mit anderen Themen. Vielleicht ging es um Alkohol oder Fast Fashion oder Flugreisen oder andere doofe Gewohnheiten, die dir eigentlich die Schamesröte ins Gesicht jagen.

Niemand will gequält und getötet werden. Aber es will auch niemand angeklagt werden. Zwischen diesen zwei Polen bewegen wir uns. Wenn wir unseren ethischen Grundsätzen treu sein wollen, müssen wir das aushalten. Die Omnis aber auch.

 

4 Gedanken zu „Als Veganer:in kannst du eigentlich nur alles falsch machen

  1. Matthias schreibt:

    Hallo Jakob, habe soeben deinen neuen Blog-Eintrag gelesen. Ich kenne natürlich auch die Diskussionen mit Fleischessern. Inzwischen diskutiere ich gar nicht mehr über vegane Ernährung. Die Falle ist: sobald man andere verurteilt, weil sie nicht denselben Weg gehen wie Du oder ich, steht das eigene Ego im Weg, das einem weismachen will, dass man es selbst besser weiß als der andere, dass man in dieser oder jener Hinsicht besser ist. Das nimmt das Gegenüber als Überheblichkeit war und ist es ja auch. Dann geht es mehr ums Rechthaben. Vielleicht ist es am Besten, einfach stillschweigend den Weg zu gehen, den man selbst für richtig hält und andere nicht mit Worten zu überzeugen, sondern nur mit dem Sein. Liebe Grüße von Matthias

    1. Lieber Matthias, ich gebe dir vollkommen Recht und so mache ich es meist ja auch. Im beschriebenen Beispiel schweigt der Veganer anfangs und reagiert dann auf die selbstentschuldigenden Kommentare seiner omnivoren Freund:innen. Und dann ist die Frage meiner Meinung nach: Soll man nur nicken und „aha“ sagen, oder inhaltlich-relevant antworten?

  2. rose schreibt:

    Danke für die guten und richtigen Gedanken.
    Ich hatte mir mal eingeredet dass es beiden Seiten leichter fällt mit etwas Abstand zu reagieren wenn ich erst frage „ob ich …das als Frage an mich verstehen soll und ob ein (ehrliche) Antwort „jetzt“ gewünscht ist.
    Es hat nie wer „nein“ gesagt.
    Aber in der Reflexion muss ich feststellen dass wohl mein (distanzierte) Nachfrage noch mehr Frustration bei meinen Gesprächspartner:innen auslöste. Dadurch sind z. T. alte Freundschaften zerbrochen.

    Also auch von meiner Seite: Durchatmen, stehen lassen und mit Ruhe weiter machen.
    Das eigene Handeln bewirkt genug (für mich)
    Günter

    1. Hallo Günter, vielen Dank für den Kommentar! Ich finde auch dass das eigene Handeln schon viel bewirkt, auch wenn man es nicht bewirbt. Aber für manche ist man halt ein wandelnder Vorwurf. Fun fact: Die Opfer, also die Tiere, würden diesen Vorwurf aussprechen, wenn sie könnten. / Frage: Wie bist du auf meinen Blog gestossen? Wir kennen uns seitdem meine Frau Jenny und ich uns vor vielen Jahren für eine Baugemeinschaft in der Pohlstrasse interessierten. Es war nur eine Begegnung mit dir, irgendwo in B-Mitte. Vielleicht vor 12 Jahren?

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