Zwischen den Müllsäcken sitzt ein Mann.
Ich gebe ihm 5 Euro.
Ohne mich anzusehen oder etwas zu sagen, legt er den Geldschein zur Seite.
Vielleicht überbewerte ich das Geld.
Zwischen den Müllsäcken sitzt ein Mann.
Ich gebe ihm 5 Euro.
Ohne mich anzusehen oder etwas zu sagen, legt er den Geldschein zur Seite.
Vielleicht überbewerte ich das Geld.
Heute fand ich in der ZEIT dieses Kunstwerk: „On the Topic of Hunting“ (2015) von Mark Dion. Man kann es im Neuen Berliner Kunstverein kaufen. Was für ein Symbol, dieser schlaffe Lauf! Man muss schon ein ganzer Mann sein, um mit einem Gewehr auf ein nichtsahnendes Tier zu schiessen. Oder auf einen Menschen.
Dions Kunstobjekt erinnerte mich an ein Objekt meines Vaters Konrad Balder Schäuffelen: „Duellpistolen“ von 1982. Man müsste schon ganze zwei Männer sein, um hier die Abzüge zu drücken. Was für eine politische Aktualität in diesem Ding steckt! Männer, die mit geladenen Pistolen gleichzeitig die Welt in Atem halten gibt es mal wieder so viele.
Und was für ein seltsames Wort: „Pistole“. Spricht man es mehrmals hintereinander aus, wird es immer sonderbarer. Man kann „Systole“ oder „Phiole“ assoziieren. Alternativ auch „pipole“ oder „people“. Oder „pissen“. Dabei stammt dieses Wort aus der Sprache meiner Mutter, nämlich aus dem Tschechischen. Es kommt von píšťala (Pfeife, Flöte). Wie harmlos sich das Wort plötzlich für mich anfühlt, wenn ich an einen kleinen Jungen denke, der vergnügt auf seiner píšťala spielt.
Die Sonne macht an verschiedenen Stellen Berlins aus diesen Plakaten der BVG Kunstwerke im Stil von Lucio Fontana. Ich bewundere diesen Künstler, er machte Schlitze in Leinwände und ließ sie dadurch dreidimensionalen werden. Die Sonne macht das in trashiger Weise auch. Bleibt die Frage, warum die BVG die Plakate nicht austauscht. Sinn für Kunst?
„Du willst meinen Parkplatz? Dann nimm auch mein Handicap!“ Dieses Schild, das neben einem Parkplatz für Behinderte steht, habe ich auf Sizilien fotografiert. Faszinierend, wie es den Umgang der Italiener mit dem Strassenverkehr dokumentiert: Regeln werden durch Fragen kommuniziert, auch mit Ironie.
Nerven sie euch auch, diese dauernden x-Dinge-Listen? Ohne sie scheint es heute im Journalismus, beim Bloggen und im Marketing nicht zu gehen. Sie versprechen große Wichtigkeit in kürzester Zeit. Das Leben ist zu kurz, um lange Texte zu lesen. Also schnell, schnell die 10 oder auch nur 5 wichtigsten Dinge des Tages! Für deinen Erfolg! Für deine Optimierung! Gesundheit! Geld sparen! Schön sein!
Und dann gut informiert rasch weiter…
Neulich las ich einen interessanten Artikel über Ramsan Kadyrow in der FAZ. Das ist der Präsident von Tschetschenien, ein kräftiger Kerl mit modernem Haarschnitt. Sein bester Freund ist der lupenreine Demokrat im Kreml, für ihn würde er gerne jederzeit in den Krieg ziehen, sagt er. Hilary Swank war bei Ramsans 35. Geburtstag und sang für ihn, allerdings wusste sie nicht, wer er ist. Später entschuldigte sie sich dafür.
Also: In dem Artikel war davon die Rede, dass Ramsan regelmäßig auf Instagram postet. Ich wurde neugierig. Ein solcher Mannmann aus dem hintersten Kaukasus socialt? Macht Selfies für seine Kumpels? Ich abonnierte ihn auf Instagram, um mehr über ihn zu erfahren.
Seitdem erfahre ich fast nichts mehr über socialnde Muttis (InstaMoms) und socialnde Künstler. Meine Insta-Timeline ist voll mit kyrillischen Buchstaben (laaange Texte!) und Fotos und Filmen von Ramsan im Gespräch mit Putin, mit muslimischen Geistlichen, beim Kampfsport-Training. Er mag anscheinend Mixed Martial Arts, so wie ich auch. Ramsan hat 946.000 Abonnenten. Okay, dachte ich dann, das sind genug Follower und mein Russisch ist nicht gut genug, den kann ich ja bald wieder entfolgen (oder sagt man dem kann ich entfolgen?).
Doch zu spät! Seit heute folgt mir jemand, der sich Grozny_Lovers nennt. Der hat 23.900 Abonnenten. Und er folgt 3547 Menschen. Einer davon bin ich nun. Was soll ich tun? Mein Russisch reicht aus, um „grozny“ zu übersetzen: Es heißt „furchterregend“. Siehe auch Ivan Grozny (Ива́н Васи́льевич Гро́зный).
Jetzt mal im Ernst. Ich kenne das Problem auch von Twitter. Plötzlich folgt dir jemand und du fragst dich warum und es schmeichelt dir auch nicht gerade, dass ausgerechnet der dir folgt. Was macht man? Sich schämen? Ich glaube, ich schau mir jetzt noch ein paar Bilder von Ramsan an und dann entfolge ich ihm (ihn?) wieder, um mehr Fotos von InstaMoms zu sehen. Ich bin nämlich ein InstaMoms_Lover.
Wie sinnlich dürfen Fotos von Kindern in einer Zeitschrift sein?
In der aktuellen Print-Ausgabe der Familienzeitschrift Nido (04/2015) gibt es eine Fotostrecke, die mich sehr nachdenklich macht. (Artikel „All-Inclusive“ ab Seite 68. Die Fotos sind auf der Nido-Website z.Zt. noch nicht online.)
Beim Schreiben darüber merke ich schon, wie es sich in mir dagegen sträubt, diese Bilder zu beschreiben. Es geht in dem Artikel um Pauschalreisen mit Kindern. Was man auf den Fotos sieht, hat starken Lolita-Charakter: Mädchen im vorpubertären Alter, halbnackt, mit von der Hitze erschöpftem Gestus, verträumt, lasziv, selbstbewusst, im Slip und mit nackter Brust, mit Würstchen, Wasserflasche oder Eis am Stiel im Mund.
Ich fühle mich an die erotischen Filme meiner Jugend erinnert: Bilitis, Die blaue Lagune, Zärtliche Cousinen, oder eben: Lolita. Ich hätte nicht gedacht, dass solche Bilder in einer Familienzeitschrift in der Post-Edathy-Zeit möglich sind.
Aber warum regt es mich auf? Ich suche und finde: Das Bild vom einsamen Mann, der sich diese Fotos lange anschaut und dabei seine Fantasien hat. Ich denke: Diese Kinder sind schutzlos dem phallischen Blick ausgeliefert. Da schreit es in mir: Skandal! Wie können die Nido-Redakteure so etwas veröffentlichen!? „Das erotische Bild vom Kind“ weiterlesen
Gesehen, fotografiert, nicht bearbeitet.
Warum sind Dinge im Zustand des Verfalls so viel interessanter als neue Dinge?
(Siehe auch meinen Beitrag über Fahrräder.)
1. Wir müssen die Leute bei ihren Bedürfnissen abholen (Gemeiner Sprachpilz, von Politikern abgenutzt.)
2. Alle Einkaufsmöglichkeiten sind fußläufig zu erreichen. (Nicht besser als „zu Fuß“.)
3. Er hat gefühlte drei Stunden dafür gebraucht. (Dummes Wörtchen „gefühlte“, gefühlte zehn Millionen mal von mir benutzt.)
4. Es sollte zeitnah geschehen. (Wo ist das gute alte „bald“?)
5. Wir sind personalmässig sehr gut aufgestellt. (Der Wortparasit „-mässig“ und dann dieses militärische „aufgestellt“.)
6. Wichtig ist, was am Ende des Tages dabei herauskommt. (Es gibt Menschen, die benutzen „am Ende des Tages“ drei Mal innerhalb von fünf Minuten.)
7. Wir sollten in dieser Angelegenheit proaktiv vorgehen. („pro“ und „aktiv“ sind die Geschwister von „vor“ und „programmiert“.)
8. Verlassen Sie bitte diese Örtlichkeit! (Mit „-ichkeit“ am Ende wird jedes echtes Wort wie „Ort“ ein Bürokratenballon .)
9. Gerne können Sie die Räumlichkeiten besichtigen. (Siehe oben.)
10. Da bin ich ganz bei Ihnen. (Redefurz des Jahres 2014.)
11. Das wäre dann für beide Seiten eine Win-Win-Situation. (Lieblingsmetapher aller Winner-Typen.)
12. Dann kann man sich auf Augenhöhe begegnen. (Scheinbar körperlich, in Wahrheit strategisch.)
13. Das ist alles geschmäcklerisch. (Nein, ist es nicht! An alle Filmproduzenten und Redakteure: Das Wort „geschmäcklerisch“ bedeutet nicht dasselbe wie „Geschmacksache“! Laut Duden ist „geschmäcklerisch“ abwertend und bedeutet soviel wie „übetriebene ästhetische Ansprüche stellend“. So gesehen ist dieser Blogbeitrag geschmäcklerisch.
Ups, jetzt sind es mehr als 10 Redewendungen geworden. Wo ich schon dabei bin: Die Redewendung „10 Dinge, die…“ ist ja auch ein inflationäres Sprachplankton. Gibt es viel auf YouTube, kommt sicher aus dem Amerikanischen, wahrscheinlich hatte es seine Geburt mit dem Film 10 Things I Hate About You mit Heath Ledger.
Manchmal verschicke ich Rundmails. Wenn zum Beispiel ein Film von mir läuft oder so. Dann scrolle ich durch mein Computer-Adressbuch und suche die Kontakte aus, die ich in den Verteiler nehmen möchte. Jedesmal begegnen mir Tote. Sie sind noch da. Ihre Namen sprechen mich an. Verhuscht scrolle ich dann schnell weiter. Ich nehme sie nicht in den Verteiler.
Aber wann sollte man tote Kontakte löschen?, frage ich mich. Sollte man überhaupt? Das Problem ist ja auch: Sie werden langsam immer mehr!
Ist es eine Art der Ehrung, sie im Adressbuch zu lassen? Es ist doch nur ein Computerprogramm. Die Erinnerung an sie trage ich im Herzen. Ja, aber mach das mal, den Kontakt mit deinem Vater löschen, samt Adresse und Geburtsdatum, oder den Schwiegervater. Oder den Freund, der vor zwei Jahren freiwillig in den Tod ging. Rechter Mausklick und dann Visitenkarte löschen?