Wie geht’s?

Heute morgen hatte ich eine super Idee. Ich werde häufig von Nachbarn auf der Strasse oder Freunden am Telefon gefragt, wie es mir ginge. „Wie geht’s?“ ist eine Höflichkeitsformel wie „How do you do?“. Ich benutze die Floskel auch manchmal. Man sagt das, obwohl man sich nicht wirklich den Kopf über den Zustand der anderen Person zerbricht. 

Dennoch ist es eine Frage und Fragen sollte man respektieren. Bisher habe ich meistens so etwas geantwortet wie „Uns geht es eigentlich den Umständen entsprechend ganz gut, nur das Home-Schooling ist natürlich eine Herausforderung.“ 

Ab heute ändere ich das, dachte ich mir heute beim Kaffee kochen. Und hatte sofort Gelegenheit, meine neue Idee an meiner Frau auszuprobieren. Mit Erfolg. „Wie geht’s?“ weiterlesen

 

Was ist eigentlich ein Rest-Sonntag?

Bildschirmfoto 2016-01-13 um 10.51.33Als ich neulich meinem Nachbarn begegnete, wünschte er mir „Einen schönen Rest-Sonntag noch!“. Er sagt das immer so. Es gibt bei ihm auch „Rest-Wochenenden“ und „Rest-Abende“, je nachdem wann man ihm begegnet. Ich bedanke mich immer höflich, wünsche „ebenfalls!“, und frage mich anschließend: Was ist jetzt mein „Rest“? Mein Nachbar fordert mich also regelmäßig dazu auf, meine restlichen Stunden zu zählen. Aber will ich das?

Gestern war ich zum ersten Mal in Berlins größtem Spa in der Nähe des Hauptbahnhofs. Als ich nach drei Saunagängen, zwei Massagen und einem Nickerchen wie neugeboren die Rechnung bezahlte, wünschte mir die junge Dame an der Kasse freundlich eine „schöne Rest-Woche“. Schwupps war es weg, das Neugeborenen-Gefühl. Man hatte mich mal wieder auf die verbleibenden Tage hingewiesen. Rest-Zeit für die noch unausgesprochenen Worte, die noch ungetätigten Taten, die noch möglichen Veränderungen. Es scheint eine neue Mode zu sein, das mit dem „Rest“. „Schönen Rest-Tag noch!“ ist das neue „Schönen Tag noch!“: Genauso banal, aber ein bisschen infamer.

Nein, ich werde den Leuten in Zukunft nicht „Ein schönes Rest-Leben noch!“ wünschen. Aber ich könnte es. Es liegt mir auf der Zunge.

 

Gewehre und Pistolen

Heute fand ich in der ZEIT dieses Kunstwerk: „On the Topic of Hunting“ (2015) von Mark Dion. Man kann es im Neuen Berliner Kunstverein kaufen. Was für ein Symbol, dieser schlaffe Lauf! Man muss schon ein ganzer Mann sein, um mit einem Gewehr auf ein nichtsahnendes Tier zu schiessen. Oder auf einen Menschen.

Mark_Dion_Topic_of_Hunting

Dions Kunstobjekt erinnerte mich an ein Objekt meines Vaters Konrad Balder Schäuffelen: „Duellpistolen“ von 1982. Man müsste schon ganze zwei Männer sein, um hier die Abzüge zu drücken. Was für eine politische Aktualität in diesem Ding steckt! Männer, die mit geladenen Pistolen gleichzeitig die Welt in Atem halten gibt es mal wieder so viele.

Schäuffelen_Duell_Pistolen

Und was für ein seltsames Wort: „Pistole“. Spricht man es mehrmals hintereinander aus, wird es immer sonderbarer. Man kann „Systole“ oder „Phiole“ assoziieren. Alternativ auch „pipole“ oder „people“. Oder „pissen“. Dabei stammt dieses Wort aus der Sprache meiner Mutter, nämlich aus dem Tschechischen. Es kommt von píšťala (Pfeife, Flöte). Wie harmlos sich das Wort plötzlich für mich anfühlt, wenn ich an einen kleinen Jungen denke, der vergnügt auf seiner píšťala spielt.

 

Eltern im Blabla-Modus

BlablaAls ich vor einiger Zeit meinen vierjährigen Sohn von der Kita abholte, gab ich ihm ein Stück Schokolade und fragte seinen Freund, ob der auch ein Stück wollte. Wie sagt man?!, schoss es aus dessen Mutter Mund, bevor der Kleine mir überhaupt antworten konnte.

Manche Eltern mögen es anscheinend, ununterbrochen auf ihre Kinder einzureden, z.B. so:
Sag mal hallo, geh da runter, gib ihm was ab, fass das nicht an, renn nicht so schnell, setz dich hin, heb die Mütze auf, lass sie in Ruhe, gib das zurück, iss das nicht, sowas macht man nicht, sag mal tschüss…

Was ist das? Eine Fernsteuerung? Hebelchen nach rechts: Kind geht nach rechts. Knopf drücken: Kind sagt Danke.

Vielleicht sorgen sich diese Eltern um das Bild, das sie nach außen abgeben. Schämen sich latent für ihre Kinder und halten sie deshalb in der Öffentlichkeit an der verbalen Kinderleine. Wir lassen uns ja alle auf gar keinen Fall in die Kindererziehung reinreden – deshalb müssen wir dafür sorgen, dass uns niemand reinreden kann und will. Ist es das?

Oder geht es um die Versicherung, dass das Kind noch da ist, dass Mutter/Vater da ist, dass man existiert, miteinander verbunden ist? Das wäre dann wie eine verbale Nabelschnur. Manchmal höre ich solche redundanten Wortketten: Hast du Hunger, willst du was essen, willst du ne Banane, sag mal musst du kaka, hast du schon in die Windel gemacht, wollen wir mal deine Windel wechseln, hast du Kaka drin, willst du nicht deine Windel wechseln, na dann halt nicht, oder doch…

Neulich fragte mich ein Vater, ob ich damit einverstanden sei, wenn er zu meinem Sohn jetzt mal ein bisschen strenger wäre. Unsere Jungs spielten gerade miteinander. Ich hatte nichts dagegen, denn ich war neugierig, was er damit meinte. „Eltern im Blabla-Modus“ weiterlesen

 

Wo sind all die Bücher hin?

P1020103Vom Sinn oder Unsinn der bürgerlichen Bücherwand

Mein Leben lang hatte ich Bücherregale. Zu Schulzeiten waren es circa 1 mal 1 Meter, zu Studentenzeiten 1,5 mal 2 Meter. Das Regal wuchs mit mir mit, letztes Jahr war es, zusammen mit den Büchern meiner Frau, 3,50 mal 2,30 Meter groß. Dann nahm meine Frau ihr Smartphone und scannte etwa die Hälfte der Bücher mit einer App – wenige Tage später waren diese Bücher per Post an einen Online-Buchhändler gegangen. Sie waren weg! Diesem barbarischen Akt waren viele Gespräche vorweg gegangen, in denen wir besprochen und beschlossen haben, uns von manchen Büchern zu trennen. RegalMitPippiAuch DVDs und CDs haben wir verkauft. Die Fotos hier zeigen unsere zentrale Wohnzimmerbibliothek vor und nach dieser Inventur. Allerdings sieht man nicht die Bücher, die uns lieb und teuer sind, denn die stehen jetzt in einem anderen Raum. Das zweite Foto trügt also ein bißchen. Es sind noch Bücher da.
Worauf ich aber hinaus will: Ich stelle mir die Frage, ob Bücherwände ein Generationending sind. Mein Vater hatte tausende Bücher, in seiner Wohnung waren alle Wände mit überfüllten Regalen bedeckt. Als ich nach seinem Tod den Haushalt auflösen musste, hat ein Antiquar vier Tage gebraucht, um alle Bücher abzuholen. In den bürgerlichen Wohnungen der umliegenden Häuser hier in Berlin-Wilmersdorf sieht man sie auch noch, die gute alte Bücherwand. Bei uns nun nicht mehr.
Als meine Mutter unser leeres Regal sah, bekam sie einen Schock. Sie war der Meinung, ich hätte alle Geschenke meiner Eltern weggeschmissen. Das habe ich nicht. Und es half auch nicht, meiner Mutter zu zeigen, daß alle wichtigen Bücher noch da waren.

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Hupen und schimpfen

Handicap

„Du willst meinen Parkplatz? Dann nimm auch mein Handicap!“ Dieses Schild, das neben einem Parkplatz für Behinderte steht, habe ich auf Sizilien fotografiert. Faszinierend, wie es den Umgang der Italiener mit dem Strassenverkehr dokumentiert: Regeln werden durch Fragen kommuniziert, auch mit Ironie.

Im italienischen Strassenverkehr wurde ich ständig angehupt. Aber dieses Hupen bedeutete nicht „Du machst was falsch, du Arschloch!“. So oft kann man mich im Auto gar nicht als Arschloch bezeichnen, wie ich angehupt wurde. Das Hupen bedeutete meist: „Achtung, hier komme ich!“ Oder: „Darf ich mal vorbei?“

Kaum in Deutschland angekommen, werde ich auf dem Fahrradweg von einem (eigentlich sympathisch aussehenden) Radfahrer angebrüllt: „Falsche Seite!“ Und meine Frau wird von älteren Damen angemotzt, weil sie unsere Kinder auf einem verkehrsberuhigten Platz herumlaufen lässt.
Auf Sizilien wurden unsere Kinder auf offener Strasse von fremden Menschen in den Arm genommen. „Come ti chiami, bello bimbo?“ („Wie heisst du, hübscher Junge?“) Solche Fragen möchte ich mal in Berlin auf der Strasse hören!
 

10 Fakten über 9 Dinge die 8 von 7 Menschen in 6 Fällen falsch machen und 5 Gründe dafür sowie 4 Lösungen wenn 3 zu wenig sind bei 2 mal 1 Liste

Nerven sie euch auch, diese dauernden x-Dinge-Listen? Ohne sie scheint es heute im Journalismus, beim Bloggen und im Marketing nicht zu gehen. Sie versprechen große Wichtigkeit in kürzester Zeit. Das Leben ist zu kurz, um lange Texte zu lesen. Also schnell, schnell die 10 oder auch nur 5 wichtigsten Dinge des Tages! Für deinen Erfolg! Für deine Optimierung! Gesundheit! Geld sparen! Schön sein!

 

Mein Sohn sagt dauernd NEIN

Mein Sohn (eineinhalb) sagt dauernd NEIN und schmeisst das Essen auf den Boden (obwohl er Hunger haben muss). Ich weiß, daß er das zur Zeit braucht, um seine Grenzen abzustecken und seine Persönlichkeit zu entfalten. Soll er doch! Ich kenne das, habe es ja schonmal erlebt mit seinem Bruder (viereinhalb).

Dennoch sage ich zu ihm: Du könntest jetzt mal dein Abendessen essen, statt es auf den Boden zu werfen, ich hab langsam genug von deiner Ichwerdung!

Darauf meine Frau: Sei froh, daß wir nicht noch mehr Kinder bekommen. So musst du das nur dreimal erleben. Ich bin schon bei 70% mit meiner Ichwerdung.

 

Grozny_Lovers folgt mir! Was soll ich tun?

Grozny_LoversNeulich las ich einen interessanten Artikel über Ramsan Kadyrow in der FAZ. Das ist der Präsident von Tschetschenien, ein kräftiger Kerl mit modernem Haarschnitt. Sein bester Freund ist der lupenreine Demokrat im Kreml, für ihn würde er gerne jederzeit in den Krieg ziehen, sagt er. Hilary Swank war bei Ramsans 35. Geburtstag und sang für ihn, allerdings wusste sie nicht, wer er ist. Später entschuldigte sie sich dafür.

Also: In dem Artikel war davon die Rede, dass Ramsan regelmäßig auf Instagram postet. Ich wurde neugierig. Ein solcher Mannmann aus dem hintersten Kaukasus socialt? Macht Selfies für seine Kumpels? Ich abonnierte ihn auf Instagram, um mehr über ihn zu erfahren.

Seitdem erfahre ich fast nichts mehr über socialnde Muttis (InstaMoms) und socialnde Künstler. Meine Insta-Timeline ist voll mit kyrillischen Buchstaben (laaange Texte!) und Fotos und Filmen von Ramsan im Gespräch mit Putin, mit muslimischen Geistlichen, beim Kampfsport-Training. Er mag anscheinend Mixed Martial Arts, so wie ich auch. Ramsan hat 946.000 Abonnenten. Okay, dachte ich dann, das sind genug Follower und mein Russisch ist nicht gut genug, den kann ich ja bald wieder entfolgen (oder sagt man dem kann ich entfolgen?).

Doch zu spät! Seit heute folgt mir jemand, der sich Grozny_Lovers nennt. Der hat 23.900 Abonnenten. Und er folgt 3547 Menschen. Einer davon bin ich nun. Was soll ich tun? Mein Russisch reicht aus, um „grozny“ zu übersetzen: Es heißt „furchterregend“. Siehe auch Ivan Grozny (Ива́н Васи́льевич Гро́зный).

Jetzt mal im Ernst. Ich kenne das Problem auch von Twitter. Plötzlich folgt dir jemand und du fragst dich warum und es schmeichelt dir auch nicht gerade, dass ausgerechnet der dir folgt. Was macht man? Sich schämen? Ich glaube, ich schau mir jetzt noch ein paar Bilder von Ramsan an und dann entfolge ich ihm (ihn?) wieder, um mehr Fotos von InstaMoms zu sehen. Ich bin nämlich ein InstaMoms_Lover.

 

10 Redewendungen die ich hasse

10dinge1. Wir müssen die Leute bei ihren Bedürfnissen abholen (Gemeiner Sprachpilz, von Politikern abgenutzt.)

2. Alle Einkaufsmöglichkeiten sind fußläufig zu erreichen. (Nicht besser als „zu Fuß“.)

3. Er hat gefühlte drei Stunden dafür gebraucht. (Dummes Wörtchen „gefühlte“, gefühlte zehn Millionen mal von mir benutzt.)

4. Es sollte zeitnah geschehen. (Wo ist das gute alte „bald“?)

5. Wir sind personalmässig sehr gut aufgestellt. (Der Wortparasit „-mässig“ und dann dieses militärische „aufgestellt“.)

6. Wichtig ist, was am Ende des Tages dabei herauskommt. (Es gibt Menschen, die benutzen „am Ende des Tages“ drei Mal innerhalb von fünf Minuten.)

7. Wir sollten in dieser Angelegenheit proaktiv vorgehen. („pro“ und „aktiv“ sind die Geschwister von „vor“ und „programmiert“.)

8. Verlassen Sie bitte diese Örtlichkeit! (Mit „-ichkeit“ am Ende wird jedes echtes Wort wie „Ort“ ein Bürokratenballon .)

9. Gerne können Sie die Räumlichkeiten besichtigen. (Siehe oben.)

10. Da bin ich ganz bei Ihnen. (Redefurz des Jahres 2014.)

11. Das wäre dann für beide Seiten eine Win-Win-Situation. (Lieblingsmetapher aller Winner-Typen.)

12. Dann kann man sich auf Augenhöhe begegnen. (Scheinbar körperlich, in Wahrheit strategisch.)

13. Das ist alles geschmäcklerisch. (Nein, ist es nicht! An alle Filmproduzenten und Redakteure: Das Wort „geschmäcklerisch“ bedeutet nicht dasselbe wie „Geschmacksache“! Laut Duden ist „geschmäcklerisch“ abwertend und bedeutet soviel wie „übetriebene ästhetische Ansprüche stellend“. So gesehen ist dieser Blogbeitrag geschmäcklerisch.

Ups, jetzt sind es mehr als 10 Redewendungen geworden. Wo ich schon dabei bin: Die Redewendung „10 Dinge, die…“ ist ja auch ein inflationäres Sprachplankton. Gibt es viel auf YouTube, kommt sicher aus dem Amerikanischen, wahrscheinlich hatte es seine Geburt mit dem Film 10 Things I Hate About You mit Heath Ledger.