Vom Sinn oder Unsinn der bürgerlichen Bücherwand
Mein Leben lang hatte ich Bücherregale. Zu Schulzeiten waren es circa 1 mal 1 Meter, zu Studentenzeiten 1,5 mal 2 Meter. Das Regal wuchs mit mir mit, letztes Jahr war es, zusammen mit den Büchern meiner Frau, 3,50 mal 2,30 Meter groß. Dann nahm meine Frau ihr Smartphone und scannte etwa die Hälfte der Bücher mit einer App – wenige Tage später waren diese Bücher per Post an einen Online-Buchhändler gegangen. Sie waren weg! Diesem barbarischen Akt waren viele Gespräche vorweg gegangen, in denen wir besprochen und beschlossen haben, uns von manchen Büchern zu trennen. Auch DVDs und CDs haben wir verkauft. Die Fotos hier zeigen unsere zentrale Wohnzimmerbibliothek vor und nach dieser Inventur. Allerdings sieht man nicht die Bücher, die uns lieb und teuer sind, denn die stehen jetzt in einem anderen Raum. Das zweite Foto trügt also ein bißchen. Es sind noch Bücher da.
Worauf ich aber hinaus will: Ich stelle mir die Frage, ob Bücherwände ein Generationending sind. Mein Vater hatte tausende Bücher, in seiner Wohnung waren alle Wände mit überfüllten Regalen bedeckt. Als ich nach seinem Tod den Haushalt auflösen musste, hat ein Antiquar vier Tage gebraucht, um alle Bücher abzuholen. In den bürgerlichen Wohnungen der umliegenden Häuser hier in Berlin-Wilmersdorf sieht man sie auch noch, die gute alte Bücherwand. Bei uns nun nicht mehr.
Als meine Mutter unser leeres Regal sah, bekam sie einen Schock. Sie war der Meinung, ich hätte alle Geschenke meiner Eltern weggeschmissen. Das habe ich nicht. Und es half auch nicht, meiner Mutter zu zeigen, daß alle wichtigen Bücher noch da waren.